Westweg Schwarzwald
19. Mai - 1. Juni 2018, 17. - 21. Juni 2019
Von Pforzheim nach Basel
Es war schon lange ein Wunsch von mir, den Westweg zu wandern: 285 km von Norden nach Süden durch den Schwarzwald. Auf Tagestouren und beim Skilanglauf hatte ich schon öfters den Weg, den die rote Raute markiert, gekreuzt oder bin Teile davon gegangen. Der Westweg wurde 1900 vom Schwarzwaldverein als erster Fernwanderweg angelegt und ist der längste der drei Fernwanderwege durch den Schwarzwald. Er gabelt sich am Titisee in eine westliche und eine östliche Route. Beide enden in Basel, wo Deutschland, Frankreich und die Schweiz aufeinander treffen.
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Insgesamt überwindet man auf dem Westweg 9000 Höhenmeter. Die Etappen sind zwischen 17 und 27 km lang und es geht ständig bergauf und bergab. Unter anderem geht es über die Gipfel von Feldberg (1493m), Belchen (1414m) und Blauen (1165m) im Süden. Die anstrengendsten Anstiege sind von Forbach zur Badner Höhe und von Hausach auf den Farrenkopf.
Die Vorbereitung
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Ich wandere gerne und viel, außerdem laufe ich regelmäßig und bin überhaupt oft in Bewegung. Allerdings hatte ich nie zuvor eine mehrtägige Tour gemacht. In der Zeit vor dem Westweg waren mein Lebensgefährte und ich - wie immer - wandern, auch mal über 20km, und einmal gingen wir mit Gepäck. Mehr nicht.
Da die Etappen teilweise sehr lang sind und immer anstrengende Anstiege zu meistern sind, ist eine gute Kondition eine wichtige Voraussetzung für den Weg.
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Ehrlich gesagt habe ich zu keiner Minute gezweifelt, dass ich den Weg schaffen würde. Ich hatte auch keine bestimmten Erwartungen. Ich wollte einfach zwei Wochen in der Natur unterwegs sein. Im Schwarzwald. Auf dem Westweg.
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Die Anstrengung
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Die anstrengendste Etappe war für mich die allererste von Pforzheim nach Dobel. Ca. 27 km mit 700 Höhenmetern Anstieg, mit einem 9kg schweren Rucksack auf dem Rücken. Am Abend war ich völlig am Ende. Und am nächsten Morgen, beim Start im Regen in Dobel, tat mir alles weh: Der Rücken, die Schultern, die Beckenknochen (vom Hüftgurt des Rucksacks). Den halben Vormittag fragte ich mich, wie ich das noch 12 Etappen schaffen sollte.
Dann ließen die Schmerzen nach... und es wurde mit jedem Tag besser und schöner. Der Körper musste sich auf dieses "neue" Leben einstellen, und das hat einfach ein paar Tage gedauert.
Gegen Ende war das Loslaufen mit Rucksack eine Selbstverständlichkeit. Unsere Kondition wurde besser und besser. Das Einzige, was uns dann noch geplagt hat, waren kleinere "Zipperlein": Blasen, Druckstellen, usw. Doch mit Blasenpflastern, Salben, viel Motivation und Cantienica konnten wir uns gut helfen.
Die Eindrücke
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Der Westweg und der Schwarzwald haben mich immer wieder aufs Neue fasziniert. Der Weg durch die verschiedenen Vegetationszonen des Schwarzwalds und die Wahrnehmung der sich verändernden Landschaft war für mich sehr bewegend und unglaublich abwechslungsreich. Hinter jeder Biegung wartete ein neuer Blick auf uns: Die Grindenlandschaft rund um Hochkopf und Schliffkopf. Die weiten Wiesen und Weiden bei Schonach. Die kahlen Flächen von Feldberg und Seebuck, auf denen noch Schnee lag, und kaum war er geschmolzen, lugten die ersten Blumen hervor. Die Seen und Flüsse. Die unendliche Waldlandschaft. Blindschleichen, Rehe, Eichhörnchen, Eichelhäher... Die unglaubliche Ruhe und der Duft des Waldes.
Die Seele
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Ich hatte keine spirituellen oder sonstigen Erwartungen an den langen Weg durch den Schwarzwald. Ich wusste schon lange, dass ich langen Wanderungen liebe und unglaublich gerne in der Natur bin. Dass zwei Wochen in der Natur jedoch eine so wohltuende und entspannende Wirkung haben, hätte ich nicht gedacht. Ich konnte mich in dieser Zeit auf das für mich Wesentliche konzentrieren. Multi-Tasking war einfach nicht möglich. Wenn ich wanderte, dann wanderte ich. Wenn ich aß, dann aß ich. Wenn ich trank, dann trank ich. Wenn ich las, dann las ich. In großen Teilen des Schwarzwalds gibt es keinen Handy-Empfang und nicht alle Unterkünfte haben WLAN. Das kann sehr erholsam sein. Entsprechend gut war auch mein Schlaf, und mit jeder Etappe konnte ich mehr Gelassenheit spüren.
Wunderbar natürlich auch immer wieder das Erreichen von Gipfeln, das Überwinden von Tiefs, das Überschreiten von Grenzen und das Einfach-Vorwärts-Gehen... Und die tiefe Zufriedenheit am Ende der Wanderung: Das Ziel ist erreicht. Aus eigener Kraft.
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"Ich habe meine besten Gedanken ergangen, und ich kenne keinen noch so schweren Kummer, den man nicht weggehen kann."
S. Kierkegaard, dänischer Philosoph (1813-1855)
Der Körper
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Die Cantienica-Methode hat mir einmal mehr geholfen! Die ersten zwei Etappen plagten mich Rückenschmerzen, verursacht durch das ungewohnte Tragen des schweren Rucksacks. Ich experimentierte mit meiner Haltung - und wurde belohnt. Die Wirbelsäule mit jedem Schritt länger ziehen. Die Wirbel auseinanderziehen, vor allem in der Brust- und Halswirbelsäule. Den oberen Rücken in Bewegung halten.
Am Ende mussten wir uns mehr unseren Füßen widmen... Wegen Blasen und Druckstellen am linken Fuß schonte ich diesen und belastete den rechten ungleich mehr, was er nicht mochte. Ganz bewusstes Gehen, Sondieren mit den Fußsohlen, Abrollen über Fußballen und Zehen und "Vom-Boden-Weg"-Denken und -Gehen halfen mir unglaublich gut.
Die Ausrüstung
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Mein Rucksack wog ca. 8 kg. Mit Verpflegung und Wasser 10 kg. Ich hatte mich beim Gepäck aufs Nötigste beschränkt und kam gut klar damit. U.a. hatte ich dabei:
- 3 Sets Funktions-Unterwäsche
- 3 Funktions-Shirts
- 3 Paar Funktionssocken, 2 Paar Wollsocken
- GoreTex-Regenjacke
- Fleece-Jacke
- Dünne Funktionsjacke
- 2 Wanderhosen zum Zippen
- Wanderstiefel (gut eingelaufen!)
- Sehr leichte Schuhe für abends
- Blasenpflaster, Wundsalbe, Pflaster, Sonnenmilch
- E-Book-Reader
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Essenziell wichtig ist natürlich ein guter Rucksack. Ich trug einen 35-Liter-Rucksack speziell für Frauen, der mir passte wie angegossen. Hier lohnt sich gute Beratung und ein Vergleich.
Die Unterkünfte
Wir hatten sämtliche Unterkünfte im Voraus gebucht, weil wir in den Pfingstferien unterwegs waren und viele Pensionen, Hütten u.ä. nur begrenzte Kapazitäten hatten. Andere Wanderer buchten immer zwei bis drei Tage im Voraus von unterwegs, was auch gut funktionierte.
Durchschnittlich bezahlten wir für ein Doppelzimmer mit Frühstück 70 - 110 Euro / Nacht. Von Wanderheimen mitten im Wald (der "Ochsenstall" bei Unterstmatt) über Berggasthöfe (Stübenwasen beim Feldberg) bis zum Hotel (Zuflucht) war alles dabei und wir waren immer zufrieden. Natürlich kann man auch günstiger übernachten, z.B. in Matratzenlagern oder im Zelt oder in den offenen Schutzhütten. Man kann auch deutlich teurer übernachten. Es ist für jeden Geldbeutel etwas da, im Schwarzwald.
Die Informationen
Wir hatten den Hikeline-Wanderführer "Westweg Schwarzwald" dabei und können Ihnen uneingeschränkt weiterempfehlen. Ein kleines Büchlein mit den wichtigsten Informationen zu den Etappen, Orten, und mit nützlichen Hinweisen an den richtigen Stellen, wenn die Wegmarkierung vielleicht doch mal fehlt.
Außerdem lasen wir natürlich Berichte im Internet und holten uns Tipps beim Kauf unserer Ausrüstung im Sportgeschäft unseres Vertrauens.
Offizielle Westweg-Seiten:
https://www.schwarzwaldverein.de/wege/fernwanderwege/westweg.html
Die Erfahrung
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... möchte ich nicht missen und freue mich schon auf die nächste Fernwanderung!
Wir lebten nicht nur zwei Wochen quasi mitten in der Natur und mit sehr wenigen Dingen, sondern erlebten immer wieder neue Überraschungen auf dem Weg. Die hatten oft mit der Natur zu tun, aber auch die menschlichen Begegnungen waren sehr schön: Da war z.B. der 76jährige, der in 6 Wochen von Hamburg zu seinem Sohn nach Freiburg wanderte und so schön erzählen konnte. Die beiden jungen Männer, die ihre Hängematten im Wald aufspannten. Einer davon wanderte den ganzen Weg in Barfußschuhen. Die netten Paare vom Bodensee und aus Heilbronn, die wir über mehrere Tage hinweg immer wieder trafen.
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Epilog
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Nach der wunderbaren Erfahrung auf dem Westweg 2018 wanderten wir im Juni 2019 die Ostvariante des Westwegs (am Titisee teilen sich Ost- und Westvariante - die Westvariante verläuft über Feldberg, Belchen und Blauen, die Ostvariante über den Feldbergpass, das Herzogenhorn und den Blößling). Und das Lebensgefühl aus dem letzten Jahr stellte sich umgehend wieder ein: Wandern, die stille Natur genießen, gut essen und gut schlafen. Mehr brauchte es wieder nicht, um richtig glücklich und zufrieden zu sein.
Die Ostvariante ist genauso anspruchsvoll wie die Westvariante, besteht aus 5 Etappen und ist ca. 105 km lang. Ach ja, dieses Mal erblickten wir in der Ferne in der Tat die Alpen des Berner Oberlandes: Eiger, Mönch und Jungfrau!
Im nächsten Jahr geht es mit der nächsten Streckenwanderung weiter. Welche das sein wird, steht noch nicht fest... Ideen und Vorschläge dürfen gerne an mail@anja-pusch.de geschickt werden.
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